Steven Solbrig

Steven Solbrig ist ein*e weiße*r genderfluide*r Künstler*in, der*die in der ehemaligen DDR geboren wurde. Solbrig engagiert sich als Fotograf*in, Moderator*in, Autor*in, Vortragsredner*in und Performer*in, stets mit einer aktivistischen Haltung.

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Steven Solbrig is a white genderfluid artist born in the former GDR. Solbrig is a photographer, moderator, author, speaker, and performer, always with an activist attitude.


 

Interview Transcription:

Access?

For me, access is not a norm, but rather an attitude.

Access requires sensitivity, recognition of the concerns, experiences and access needs of disabled, deaf and chronically ill people.

Access is a social interaction that includes demanding, fighting for, recognizing, granting and responsibly accepting self-determined access, space and time.

Access, for me, is more than a fuzzy concept of charitable gestures by mainstream society that pushes disabled people into old familiar mechanisms of dependency.

Access is never static, it is more than accessibility, it is fluid, diverse and opposes any binary.

Access is a self-image according to which a society can only be inclusive, democratic and emancipatory if every individual has the possibility of full access to all areas, on all levels of social life.

Access?

Access ist für mich keine Norm, viel mehr eine Haltung.

Access bedingt ein Gespür, die Anerkennung der Belange, Erfahrungen und der Zugangsbedürfnisse von behinderten, Tauben und chronisch erkrankten Personen.

Access ist eine gesellschaftliche Wechselwirkung des Forderns, Erstreitens, des Anerkennens, Gewährens und der verantwortungsvollen Annahme von selbstbestimmten Zugängen, Räumen und Zeitlichkeiten.

Access, ist für mich mehr als ein schwammiges Konzept der wohltätigen Gesten seitens der Mehrheitsgesellschaft, das behinderte Menschen in altbekannte Mechanismen der Abhängigkeit drängt.

Access ist niemals statisch, ist mehr als Barrieriefreiheit, ist fluide,vielfältig und wider jeglicher Binärität.

Access ist ein Selbstverständnis, demnach eine Gesellschaft nur dann inklusiv, demokratisch und emanzipatorisch sein kann, wenn für jede*e Einzelne die Möglichkeit des vollständigen Zugangs zu allen Bereichen, auf allen Ebenen des gesellschaftlichen Lebens hat.

Care?

For me, care is more than just feeding, washing, pushing a wheelchair, loving and working.

At the same time, care is never unproblematic, and more often than not contradictory.

Because care is linked to questions of physicality, of communication, of action, but also of access to care.

For me, care is always political, even in private.

Care is the mutual recognition and acceptance of the diverse individual needs of every living being.

Care therefore needs the constant questioning of one’s own privileges, internalized rejectionism, ageism, gender hostility, classism or racism.

An intersectional utopia of care therefore needs collective access to socially recognized forms of caring, worrying, nurturing in addition to reciprocity. I really mean mutual help, without offsetting, which sees itself as a critique of the current conditions of profit-based employment and care work. I mean care work that aims at solidarity among everyone.

This requires networks and communities that are organized far from the patriarchal, capitalist system and that constantly search for their own exclusions.

Only in this way can we break through the traditional, paternalistic role attributions of care givers and care receivers!

For me, care is a utopia in which no one has to be placed in homes or workshops anymore!

Care?

Care ist für mich mehr als nur Füttern, Waschen, Schieben, Lieben und Arbeit.

Dabei ist Care, Kümmern, Sorgen, Pflegen niemals unproblematisch, viel mehr oftmals widersprüchlich

Denn Care ist an Fragen nach Körperlichkeit, der Kommunikation, des Handelns, aber auch des Zugangs zu Care geknüpft.

Care ist für mich immer politisch, auch im Privaten.

Care ist die gegenseitige Anerkennung und Akzeptanz der vielfältigen individuellen Bedürfnissen eines jedes Lebenswesens.

Care braucht so das konstante Hinterfragen eigener Privilegien, verinnerlichtem Ableismus, Ageism, Genderfeindlichkeit, Klassismus oder Rassismus.

Für eine intersektionale Utopie von Care braucht es darum einem kollektiven Zugang zu gesellschaftlich anerkannten Formen des Kümmerns, Sorgens, Pflegens hinzu einer Gegenseitigkeit. Ich meine tatsächlich gegenseitige Hilfe, ohne Aufrechnen, die sich als Kritik an den jetzigen Verhältnissen der Erwerbs- bzw. der Pflegearbeit begreift. Ich meine Care,-Arbeit die auf ein solidarischen Handeln aller abzielt.

Hierfür braucht es Netzwerke und Communites, die fern des patriarchalischen, kapitalistischen Systems organisiert sind und die dabei selbst konstant nach den eignen Ausschlüssen suchen.

Nur so können wir die tradierten, paternalistischen Rollenzuschreibungen von Sorgegebenden und Sorgeempfangenden durchbrechen!

Care ist für mich eine Utopie, in der niemand mehr in Heimen oder Werkstätten untergebracht werden muss!

 

Healing?

Healing is something that I also associate very much with medical interventions and am therefore very suspicious of. Because they often suggest that supposed “suffering” can be cured and that the physical impairment can be counteracted in this way. The very concept of medical healing in the Western world is so one-dimensional, so violent and very much in vogue again, especially in times of crisis. But in this ableist world, shouldn't we all be more concerned with overcoming social barriers than with individual healing? Doesn't healing much rather mean creating access/access to a self-determined life far away from homes and psychiatric institutions?

And anyway, what would a world be like where everyone has a protonormal body? It would be incredibly boring.

Heilung?

Heilung ist etwas, was auch ich sehr mit medizinischen Eingriffen verbinde und darum sehr misstrauisch entgegenstehe. Denn oftmals suggerieren diese, dass so vermeintliches „Leid“ heilbar wäre und die körperliche Beeinträchtigung sich so entgegenwirken ließe. Gerade das Konzept der medizinischen Heilung der westlichen Welt ist so eindimensional, so gewalttätig und gerade in Krisenzeiten wieder sehr im Trend. Doch sollte es uns allen in dieser ableistischen Welt nicht eher um Überwindung sozialer Barrieren als um die individuelle Heilung gehen? Heißt Heilung nicht viel eher access/ Zugang zu einem selbstbestimmten Leben fern von Heimen und psychiatrischen Einrichtungen zu schaffen?

Und überhaupt: Was wäre eine Welt, in der alle einen protonormalistischen Körper haben? Sie wäre unglaublich langweilig.

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