Amy Zayed


 

Interview Transcription:

MJ: Was bedeutet Zugang für dich?

ND: Zugang bedeutet für mich, dass ich sowohl zu Dingen virtuell als auch zu Dingen, die nicht virtuell sind also Barrieren oder Stellen, keine Ahnung, Filmen, Kultur- und Literaturinstitutionen Zugang habe. Als Blinde bedeutet das für mich, dass ich virtuell Dinge auf meinem PC mit dem Screenreader und einer Braille-Zeile lesen kann, es bedeutet aber eben auch, dass ich Filme oder Theaterstücke audiodeskriptioniert bekommen kann. Es bedeutet aber auch, dass ich Zugang zu Arbeit bekomme oder Zugang zu, Teilhabe an einer Wahl zum Beispiel meinetwegen an einer Bundestagswahl meinetwegen, dass ich Zugang bekomme dazu. Zugang bedeutet für mich einfach tatsächlich Zugang zu allem was man fürs Leben braucht sowohl kulturell als auch zu lebenswichtigen Dingen aber auch zum Arbeitsmarkt, zum Beispiel auch beim Arzt, dass man zum Arzt kommt und als blinder Mensch nicht unbedingt erstmal Dinge ausfüllen lassen muss ähm von irgendwem anders sondern das man halt auch selbst lesen kann und selbst  ausfüllen kann wenn die einem da mit der Datenschutzerklärung kommen, weil Datenschutz bedeutet ja auch Privatsphäre und wenn ich mir das jetzt erstmal von jemand anders ausfüllen lassen muss dann negiert sich das ganze nämlich selbst dann hat das mit Privatsphäre nämlich nicht mehr so viel zu tun.

MJ: Was bedeutet Fürsorge/Care für dich?

ND: Es kommt natürlich drauf an in welchem Zusammenhang. Ich finde Fürsorge oder auch Care in Bezug auf Krankheit oder meinetwegen Krankenhausversorgung, bedeutet für mich … dass gewisse Dinge gegeben sind, dass ich im Krankenhaus eine anständige Behandlung bekomme wenn jemand krank ist, dass die Diagnosestellung und -findung auch gegeben ist, dass Zeit für die Patient*innen da ist in Bezug auf meine Behinderung allerdings als blinde  Person finde ich das Wort ähm oder Fürsorge fast schon fehl am Platz ich mag auch in dem Fall das Wort Carer oder auch Betreuer nicht, Betreuer*in nicht, ich bin da eine Freundin des Wortes Assistenz oder Assistance weil… ich finde das wir als blinde Menschen jetzt gar keinen Menschen brauchen der uns umsorgt oder fürsorgepflichtig ist, sondern wenn brauchen wir eigentlich eher nur Assistenz, also jemanden der uns assistiert bei der Arbeit wenn wir Dinge wenn Dinge nicht zugänglich sind weil irgendwelche Menschen da Barrieren hingeschmissen haben… oder wir Assistenz brauchen vielleicht im Alltag beim Einkaufen oder so weil natürlich es mit dem Barcodescanner dann halt doch länger dauert den Joghurt zu finden den man braucht, von daher empfinde ich dieses Wort Fürsorge oder Care in Bezug auf meine Behinderung  jetzt eher unpassend, also wüsste ich jetzt nicht was ich damit soll, insbesondere da ich auch so den, also ich empfinde ihn auch so ein bisschen als patriarchisch, so ein bisschen ja man muss sich um die armen Behinderten kümmern, und um sie sorgen und so und ich finde da das passt sehr gut im Krankheitskonzept da finde ich das Wort auch passend weil da geht es ja auch darum dass es Patienten wieder besser gehen soll, Patient*innen wieder besser gehen soll oder wenn nicht dann zumindest dass es ihnen wieder gut geht dass sie  die bestmögliche Versorgung bekommen und da passt es find ich ganz gut äh in Bezug auf Behinderung empfinde ich dieses Wort Fürsorge oder Care, ja… ich es weiß es nicht, ich find‘s immer ein bisschen schwierig.

MJ: Was bedeutet Interdependenz für dich?

ND: Also ich hab lange da drüber nachgedacht was es tatsächlich in meinem Fall bedeutet und ich glaube Interdependenz ist insofern wichtig damit es keine Dependenz gibt. Also, ich glaube ich hab schon in der Schule immer versucht dass ich wenn ich Hilfe gebraucht hab gleichzeitig darauf geachtet hab dass ich irgendwas zurückgeben kann so dass das irgendwie nicht nur eins ist also dass ich nicht nur dass ich nicht nur Hilfe bekomme sondern eben dass ich auch Hilfe gebe also nicht nur nicht nur Teilhabe sondern eben halt auch Teilgabe. Das Andere ist aber auch, dass ist ja auch bei der Assistenz so, dass man wenn man Assistenz bekommt, man die Assistenz ja auch bezahlt so dass die Assistenz halt auch was davon hat und von daher das ist glaub ich auch schon wichtig weil man sonst äh… eine Abhängigkeit hat und zwar nur eine reine Dependenz also nur eine reine Abhängigkeit… von anderen Menschen aufgrund der Behinderung, äh was einem eine gewisse Art von Selbstbestimmung nimmt, ähm weil man diesen Menschen ja dann auch ausgeliefert ist, also man selber gibt ja nichts zurück und es is immer dann so in der Hand desjenigen oder derjenigen, also der Person von der man halt abhängig dann ist, die dann etwas tut oder eben halt nicht tut. Von daher finde ich glaube ich also, wenn ich Interdependenz richtig verstanden habe dann find ich das sehr sehr wichtig.

MJ: Und äh als letztes was bedeutet Heilung für dich?

ND: Heilung bedeutet für mich wenn ich krank bin und mir, keine Ahnung den Fuß gebrochen habe dass das dann heilt? Und dass dann die Knochen wieder zusammenwachsen? Es bedeutet aber auch Heilung nach Traumata, also wenn ich jetzt traumatisiert bin von etwas, dass diese Traumata heilen dass eben halt auch… die Psyche sich wieder einbekommt, auf meine Behinderung gesehen würde ich sagen hat das überhaupt gar keine Bedeutung für mich weil ich meine Blindheit nicht als Krankheit sehe also nichts was man jetzt unbedingt heilen muss, sondern das ist ja was womit ich schon mein ganzes Leben lang lebe und dass ist ja auch Teil von mir, also, sollte jetzt plötzlich irgendein Mensch kommen und sagen „ich habe hier den Stab des Harry Potter und du könntest morgen wieder sehen“, dann wäre das für mich keine Heilung sondern eher sowas wie „oh ich bin neugierig wad ham die da alle mit ihrem Sehen“ aber es wäre jetzt nicht plötzlich eine Spontanheilung. Ich würd es nicht jetzt als Heilung sehen, weil ich mich auch nicht als krank sehe.


English translation

MJ: What does access mean to you?

ND: For me, access means that I have access to things virtually as well as to things that are not virtual, i.e., barriers or places, I don't know, films, cultural and literary institutions. For me, as a blind person, this means that I can virtually read things on my PC with a screen reader and a Braille line, but it also means that I can have films or plays audio described. But it also means that can access work or am afforded access to, for example, participation in an election, for example, a federal election, for me, that I get access to it. For me, access simply means access to everything you need for life, both culturally and to essential things, but also to the labor market, for example also to the doctor, that you go to the doctor and as a blind person you don't necessarily have to have things filled out by someone else, but that you can also read them yourself and fill them out yourself when they give you a data protection form, because data protection also means privacy and if I have to have someone else fill it out first, then the whole thing negates itself, because then it no longer has that much to do with privacy.

 

MJ: What does care mean to you?

ND: It depends on the context, of course. I think care in relation to illness or hospital care means for me ... that certain things are given to me, that I can be cared for, that certain things are a given, that I get a decent treatment in the hospital when someone is ill, that the diagnosis and findings are also a given, that there is time for the patients in relation to my disability, but as a blind person I find the word care almost out of place. I don't like the word carer or Betreuer*in in this case either, carer, I like the word assistance because ... I think that as blind people we don't need a person who takes care of us or is kind of obliged to take care of us, but if we actually need assistance, that is someone who assists us in our work when we can't access things because some people have thrown up barriers... or we need assistance maybe in everyday life when we go shopping or something like that because of course it takes longer with the barcode scanner to find the yoghurt you need, so I feel that this word care in relation to my disability is rather inappropriate, so I don't know what to do with it, especially because I also feel that it is a bit patriarchal, a bit like yes, you have to take care of the poor disabled, and care for them and so on and I think it fits very well into the concept of illness, I think the word fits because it is also about patients getting better again, patients should get better again or if not then at least they should get as well as possible again, that they get the best possible care and I think it fits very well. In relation to disability, I feel this word care or Fürsorge, yes... I don't know, I always find it a bit difficult.

 

MJ: What does interdependence mean to you?

ND: Well, I've been thinking for a long time about what it actually means in my case, and I think interdependence is important so that there is no dependency. So, I think I always tried at school that when I needed help, I also made sure that I could give something back, so that it’s not just a one-way street, so that I not only get help but also give help, so not just participation but also sharing. But the other thing is that it is also the case with assistance, that if you get assistance, you also pay for it, so that the assistants also benefits from it and therefore I think that is also important because otherwise you have a dependency, a pure dependency, that is, only a pure dependency... on other people because of the disability, which takes away a certain kind of self-determination, because you are at the mercy of these people, you don't give anything back yourself and it is always in the hands of the person you are dependent on, i.e., who does something or doesn't do something. That's why I think, if I understand interdependence correctly, I think it's very important.

 

MJ: And lastly, what does healing mean to you?

ND: To me, healing means that when I'm sick and I've broken my foot, I don't know, that it heals? And that the bones come together again? But it also means healing after trauma, so if I’m traumatized by something, that these traumas heal, as well... I would say that in terms of my disability it has no meaning for me at all because I don't see my blindness as an illness, so it's not something that has to be cured, but rather it's something I've been living with all my life and it's also part of me. So, if someone were to suddenly come along and say “I have Harry Potter’s wand here and you could see again tomorrow”, then that wouldn't be a cure for me but rather something like “oh I'm curious what's up with this whole seeing thing” but it wouldn't suddenly be a spontaneous cure. I wouldn't see it as a cure, because I don't view myself as sick, either.

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Karina Sturm